„Lebenselixier Milch – gestern, heute und morgen“, so lautete das Motto des 13. „Forum Milch NRW“ der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen e. V. am 4. September 2019. Milch sei hierzulande als selbstverständliches Basislebensmittel etabliert. Die Branche tue jedoch gut daran, sich in gesellschaftliche Diskussionen einzubringen und regelmäßig selbst zu reflektieren, erklärte Hans Stöcker, Rheinischer Vorsitzender der LV Milch NRW. Dabei werde das Spektrum von Aspekten, die sich rund um die Milch entwickeln, stetig breiter. Nicht mehr nur Geschmack, Ernährungswert und Lebensmittelsicherheit - auch Tierwohl, Klima und immer wieder die Frage der Nachhaltigkeit stehen im Fokus. War vor fünf Jahren „gentechnikfrei“ noch ein Alleinstellungsmerkmal in der Nische, so sei es heute Standard. Die „bunten“ Seiten der Milch wurden im Rahmen einer Podiumsdiskussion von verschiedenen Seiten beleuchtet. Auch die Trinkmilch, von der es häufig gar nicht erwartet wird, weist einen außergewöhnlichen Reichtum von unterschiedlichen Facetten auf.
In seinem Grußwort ging Staatssekretär Dr. Heinrich Bottermann auf die Bedeutung der Milcherzeugung und Tierhaltung für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume ein. Allerdings sei auch die Milch Teil einer immer stärkeren gesellschaftlichen Auseinandersetzung zur Landwirtschaft, Ernährung und zum Umweltschutz. So wird von immer mehr Bürgerinnen und Bürgern hinterfragt, wie unsere Lebensmittel produziert werden und wie mit den Tieren und den Ressourcen Wasser, Boden und Luft umgegangen wird. Die Milchwirtschaft habe hier bereits viel erreicht, ein Beispiel sei die Haltung der Kühe in modernen Laufställen mit viel frischer Luft und Kontakt zum Außenklima. Gleichzeitig gebe es aber auch eine Reihe von Herausforderungen, wie ein schwieriges Marktumfeld, Nährstoffüberhänge oder Emissionen, die es zu meistern gilt. Der Staatssekretär wies darauf hin, dass die Milchviehhaltung langfristig nur erfolgreich sein kann, wenn sie von der Gesellschaft anerkannt und akzeptiert wird. In diesem Zusammenhang begrüßte er die Aktivitäten der Wirtschaft zur Erarbeitung von Lösungen in einer übergreifenden Sektorstrategie Milch.
Bas de Groot, der weltweit erste Milchsommelier aus Den Haag, bezog alle Teilnehmer in ein Geschmacksexperiment mit ein. „Milch ist nicht weiß! Sie hat viele Farben, Geschmacksrichtungen und Qualitätsabstufungen“. Wenn man das wertschätze, sode Groot, was von vornherein in der Milch enthalten ist und dies nicht „beschädige“ oder etwas hinzufüge, spreche das Produkt für sich selbst. Die Welt würde sich dann für die vielen Möglichkeiten der Differenzierung des Milchmarktes öffnen.
Der Managing Director der FrieslandCampina Germany GmbH, Jan Kruise, regte an, den Markt stärker aus der Brille der Verbraucher zu sehen, um ihre Wünsche nach attraktiven Produkten und Innovationen umzusetzen. „Vor allem müssen wir es besser und gemeinsam als Branche schaffen, wieder die positiven Themen zu kommunizieren: Unser Engagement für Nachhaltigkeit, für Tierwohl und für hohe Qualität mit wertvollen Nährstoffen, die alle Konsumanlässe, Verzehrgewohnheiten, Zielgruppen und Geschmacksvorlieben umfasst.“ Nicht zuletzt, um auskömmliche Margen für alle an der Prozesskette Beteiligten zu erwirtschaften.“
Für Dr. Rupert Ebner, Vorstandsmitglied vom SlowFood Deutschland e. V. braucht es dringend mehr Wertschätzung und Förderung guter Milch(en) aus bodengebundener Weidehaltung. Denn Haltungsform, Futter sowie der Verarbeitungsgrad von Milch würden sich massiv auf den Geschmack sowie auf Umwelt und Klima auswirken. Die Milch von Hochleistungs-Milchkühen, die nicht auf der Weide stehen dürfen und mit konzentriertem, und oft importiertem Kraft- und Eiweißfutter wie Soja gefüttert werden, sei geschmacklich etwas völlig anderes, als naturbelassene Milch von Weidekühen. Deshalb sei Milch nicht gleich Milch. Die Voraussetzung für „gut, sauber und fair“ bei Milch sei, die Produktionskette zu verkürzen und sie stärker auf lokale Kreislaufwirtschaft auszurichten. „Grundsatz für die Milchproduktion sollte sein, externe „Kosten“ wie Umweltbelastungen durch Monokulturen, Landnutzung in Drittländern sowie Treibhausgasemissionen durch den Futtermittelimport zu vermeiden.“
Dr. Mechthild Frentrup, Milchviehhalterin aus Steinhagen, stellte fest, dass Konsumenten in der Regel alles möchten: Glückliche Tiere, Umweltschutz, gesundes Essen, vollen Genuss – und das alles zu einem möglichst günstigen Preis. Milch sei natürlich als Rohstoff und Grundnahrungsmittel kaum wegzudenken. Dennoch könne die Milchbranche sich dem fundamentalen Wandel in der Gesellschaft nicht verschließen. „Der Aufwand für uns Landwirte wird immer höher. Wir sollen bei transparenter Produktion hochwertige Qualität liefern und dabei heute schon die Trends von übermorgen bedienen.“ Die Kosten verblieben aber bislang oft auf den Höfen. Es stelle sich die Frage, ob die Entwicklung in Sachen Umweltschutz, Tierwohl oder Lifestyle dennoch eine Chance für die Branche und die einzelnen Erzeuger sein kann. „Auf jeden Fall. Wir sind Teil der Lösung“, ist Dr. Mechthild Frentrup überzeugt. Sie ist als Landwirtin im Aufsichtsrat der DMK Group tätig. Deutschlands größte Molkereigenossenschaft betreibe derzeit einen massiven Umbauprozess, um sich dem Wandel der Konsumentenwünsche anzupassen.
Moderiert vom topagrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann nutzten die rund 120 Teilnehmer die Gelegenheit, die angesprochenen Aspekte eingehend mit den Referenten zu diskutieren und zu vertiefen. Aktiver Dialog am „runden Tisch“ der Milchwirtschaft.