Das 15. Forum Milch NRW der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (LV Milch NRW) fand am 14. September 2022 in der Rohrmeisterei in Schwerte statt. Rund 100 Branchenvertreter diskutierten dort zum Thema: Der Verbraucher. Was will er? Wie tickt er? Gibt es Stereotype und lassen sich diese einfach in bestimmten Schubladen stecken? Oder sind sich Verbraucher und landwirtschaftliche Branche sogar fremd geworden?
In seinem Grußwort überbrachte Joachim Hartung aus dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NRW Grüße von Ministerin Silke Gorißen und stellte dar, welche Bedeutung die Milcherzeugung im Arbeitspro-gramm der neuen Landesregierung einnimmt. „Bereits zu ihrem Amtsantritt hat die Ministerin gezeigt, dass sie ein Ohr bei den Landwirten hat und ist auf einen Milchviehbetrieb ins Bergische Land gereist. Dort machte sie sich ein Bild davon, wie Milchviehhaltung heute aussieht und, welche Bedürfnisse die Branche gerade hat.“
Jens Lönneker, Geschäftsführer lönneker & imdahl rheingold salon, gab in seinem Impulsvortrag einen Überblick aus seiner Perspektive als Kölner Meinungsforscher.
Er stellte fest, dass Kuhmilch zunehmend in die Diskussion geraten sei. Aufbauend auf dieser These richtete er folgende Fragen an die Diskutanten auf dem Podium und an die Gäste: „Ist der Konsum von Kuhmilch natürlich oder eine kulturelle Fehlent-wicklung mit schädigenden Folgen wie Allergien? Gut oder schlecht? Mutter „Milch“ oder Mutter „Natur“? Gegensatz oder Einklang? Wie lässt sich der aktuellen Polari-sierung in der gesellschaftlichen Diskussion begegnen?“ − Ein Auftakt für eine leben-dige Diskussion um grundsätzliche gesellschaftliche Trends und Verbraucherverhal-ten.
Für Dr. Inken Christoph-Schulz, vom Thünen-Institut, ist die Aussage, dass die der-zeit boomenden pflanzliche Alternativen zu Milchprodukten die tierischen Originale verdrängen, zu pauschal. Zum einen, weil sich dieser Boom in erster Linie auf pflanzli-che Alternativen für Trinkmilch bezieht. Diese machten 72,5% sämtlicher pflanzlichen Alternativen für Molkereiprodukte, Fleisch und Fisch in 2021 aus. Zum andern, weil zwar in jeder Verbrauchergruppe der Pro-Kopf-Verbrauch von pflanzlichen Trink-milchalternativen in den letzten fünf Jahren gestiegen ist, jedoch zeitgleich in sieben von zwölf betrachteten Verbrauchergruppen auch der Konsum von Trinkmilch stieg. Die SocialLab-Forscherin aus dem Braunschweiger Bundesforschungsinstitut kommt zu der Schlussfolgerung, dass hier pflanzliche Alternativen also keine Trinkmilch er-setzen, sondern dass diese zusätzlich konsumiert werden."
Bernhard Burdick, Leiter im Bereich Ernährung und Umwelt der Verbraucherzentrale NRW, sieht schon seit längerem einen breiten gesellschaftlichen Konsens zum Um-bau der Nutztierhaltung. Wesentliche Triebkräfte sind dabei Tierwohl und Nachhal-tigkeit und immer stärker auch der Klimaschutz. Das zeigt auch die steigende Nach-frage nach Ersatzprodukten. Aus Sicht der Verbraucherzentrale gibt es bei der „Übergangslösung“ aber Licht und Schatten. Der Weg zu einem nachhaltigeren Er-nährungssystem liegt zwar grundsätzlich bei einer deutlich stärker pflanzenbasierten Ernährung, aber mit weniger stark verarbeiteten Produkten. Für tierische Lebensmit-tel bedeutet dies „weniger, aber nachhaltiger“, also mehr Wertschöpfung und Wert-schätzung durch mehr Tierwohl und Tiergesundheit. Mehr Nachhaltigkeit in der Nutztierhaltung ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Werden tierische Lebensmittel deutlich teurer, verringert sich damit die Nachfrage weiter. Perspektivisch zeichnen sich erheblich geringere Tierbestände bei deutlich höheren Erzeugerpreisen als Win-Win-Strategie für alle Beteiligten ab.
Milchbauer Matthias Schulte-Althoff aus Haltern-Flaesheim vertrat die landwirt-schaftliche Sicht auf das Thema. Durch seinen Milchbauernhof mit Direktvermark-tung steht er regelmäßig im Kontakt zum Konsumenten seiner Produkte. Für ihn gilt es zu differenzieren: „Es gibt nicht DEN Verbraucher, jeder Kunde ist anders und hat andere Bedürfnisse. Ich als Milchbauer versuche diese Bedürfnisse in Sachen Milch zu bedienen“, erklärt er.
Moderiert vom Wochenblatt-Chefredakteur Patrick Liste, nutzten die Teilnehmer im Publikum die Gelegenheit, die angesprochenen Aspekte eingehend mit den Referenten zu diskutieren und zu vertiefen. Aktiver Dialog am „runden Tisch“ der Milchwirtschaft.
Im Bild 1 von links nach rechts: Patrick Liste (Wochenblatt), Dr. Rudolf Schmidt (LV Milch NRW), Inken Christoph-Schulz (Thünen-Institut), Jens Lönneker (rheingold salon), Bernhard Burdick Verbraucherzentrale NRW), Matthias Schulte-Althoff Milchbauer, Benedikt Langemeyer (Vorstand LV Milch NRW), Joachim Hartung (Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW) und Hans Stöcker (Vorstand LV Milch NRW)
Bild 2: Hans Stöcker, Rheinischer Vorsitzender der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW, begrüßt die Gäste in der Rohrmeisterei in Schwerte.
Bild 3: Rege Diskussion zum Thema „Der Verbraucher – das unbekannte Wesen?!“